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Oksana Lyniv dirigiert das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Livestream aus dem Herkulessaal.
23. November 2020 - 15:31 Uhr | Dr. Michael Bastian Weiß
München - So ganz ohne Publikum zu spielen, ist für ein Orchester sicherlich nicht einfach. Selbst in einer Probe sitzen immer ein paar Leute. Zwar weiß man, dass viele Hörer zuhause vor dem Bildschirm den Livestream verfolgen. Aber das ist doch eine sehr abstrakte Vorstellung, die eine motivierende Nähe zu gespannt lauschenden Menschen nicht ersetzen kann. Dirigentin Oksana Lyniv vermeidet Klischees Liegt es daran, dass das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Herkulessaal nur begrenzt auf die hochexpressive Mimik Oksana Lynivs reagiert? In der Symphonie Nr. 4 A-Dur von Felix Mendelssohn Bartholdy, der "Italienischen", die hier seltenerweise in der Erstfassung erklingt, folgt nicht auf jeden innig flehenden Gesichtsausdruck der Dirigentin auch ein entsprechend intensives orchestrales Ereignis. Allerdings hat die Debütantin Oksana Lyniv auch eine gewisse Strenge vorgegeben, die bei diesem Werk überrascht. Wo viele Kollegen die Italien-Freude kaum eifrig genug zum Überschäumen bringen können, vermeidet die Dirigentin bewusst genau solche Klischees. Statt, wie häufig, Hektik zu verbreiten, nimmt sie den Kopfsatz in einem gemessenen Moderato, der manchem Hörer vielleicht etwas preußisch vorkommen könnte. Erst im Finale, auf das Lynivs gesamte Deutung hinzielt, setzt sie explosive Akzente. Solisten können sich frei entfalten Somit beweist die 42-Jährige, die ihr Engagement in Graz schon wieder beendet hat, im nächsten Jahr aber in Bayreuth debütieren wird, eine beachtliche interpretatorische Eigenständigkeit. In der Sinfonia concertante Es-Dur von Mozart kann man auch beobachten, dass Oksana Lyniv bei diesem Komponisten nicht mehr vorrangig eine strikte Durchorganisation des Orchesters anstrebt, wie sie es noch in ihrer Zeit an der Bayerischen Staatsoper getan hatte. Mit entspannten Bewegungen gibt sie größere Takteinheiten vor und verschafft somit den Solisten Freiheit zur Entfaltung. Jehye Lee mit ihrem filigranen Violinton und Tobias Reifland, der die Bratsche auch einmal etwas kantiger anpackt, hören aufeinander, imitieren oder widersprechen sich in so genauer Abstimmung, wie es wohl nur zwei Solisten möglich ist, die sich aus der gemeinsamen Orchesterarbeit kennen. Oksana Lyniv aber sollten die BR-Symphoniker bald wieder einladen - hoffentlich dann für ein Konzert, in dem ein Publikum für Stimmung sorgt.