Ehemalige Vorstände und weitere Mitglieder der Osteuropahilfe nahmen an den umfangreichen Veranstaltungen in Brody teil, die im Rahmen des Mozart-Festivals Lemberg von der ukrainischen Dirigentin Oksana Lyniv organisiert wurden. Anlass war die 80. Wiederkehr des Todes von Joseph Roth, der 1894 in Brody geboren wurde und 1939 in Paris starb.
Das Programm begann mit der feierlichen Enthüllung einer Bronzebüste des in Brody geborenen, deutschsprachigen jüdischen Schriftstellers Joseph Roth, unmittelbar vor dem Gymnasium, an dem er 1913 das Abitur ablegte. In Anwesenheit der deutschen Botschafterin in Kiew, eines Oberrabbiners, des österreichischen Kulturbeauftragten, des Bürgermeisters von Brody und des derzeit amtierenden Landrats sowie weiterer lokaler Prominenz, trugen Schüler aus den Deutschklassen des Gymnasiums abwechselnd in ukrainischer und deutscher Sprache biografische Einzelheiten aus dem Leben Roths vor. Nach vielen Reden, in denen auch der Pogrome an der jüdischen Bevölkerung Brodys erinnert wurde, endete die Feier mit dem Abspielen des Radetzkymarsches von Johann Strauß Vater, ein Hinweis auf den berühmtesten Roman gleichen Namens von Joseph Roth.
Im Anschluss daran fand abends das Gedächtniskonzert statt, dessen Programm mit großem Anspruch von Oksana Lyniv nicht nur zusammengestellt, sondern auch mit ihrem beeindruckenden Engagement dirigiert wurde. Hierzu wurde unmittelbar an die Ruine der Synagoge eine überdachte Konzertmuschel aufgestellt, unter der mehrere Chöre und das stark besetzte Inso-Orchester aus Lemberg, zusammen rund 200 Mitwirkende, Platz fanden.
Höhepunkt des von den Einwohnern Brodys begeistert aufgenommenen Konzerts war die Aufführung der selten zu hörenden „Kaddish“-Symphonie von Leonard Bernstein. Der Text des jüdischen Totengebetes wurde von der bekannten Münchner Schauspielerin Sunnyi Melles mit ergreifender Intensität interpretiert.
Alles in allem ein außergewöhnliches Ereignis für Brody und auch ein Hinweis darauf, dass sich die Ukraine ihrer eigenen Geschichte bewusst wird und die Vergangenheit nicht mehr ausblendet. Denn noch vor fünf Jahren wäre ein solches Geschehen in Brody nicht möglich gewesen.
Erhard Hoppe